Die Destillation von Schnaps

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RE: Potstill nach Schmickl - Überholt, auf der höhe der Zeit oder gibt es bessere Lösungen
Von: Schmickl am 27.07.2016 01:33:47 | Region: Kärnten
Bin ebenfalls auf die Reaktionen gespannt! ;-) Obwohl ich mich hier bei den Diskussionen normalerweise nicht einbringe und wir eigentlich alle Einträge veröffentlichen, sofern es sich nicht um (Schleich)werbung oder Beschimpfungen handelt, möchte ich vorab hier dennoch meinen Senf dazu geben:

Wie bei vielen Dingen führen mehrere Wege zum Ziel, so auch bei diesem Thema. Grundvoraussetzung um mit einer Potstill qualitativ hochwertige Brände zu erzeugen ist das Fundament, sprich die Maische. Grausliche Maische führt zu grauslichen Produkten. Ich denke da nur mit Schaudern an einen typischen Hausbrand, insbesondere wild vergorener Zwetschkenbrand hat diesen widerlich säuerlichen Geruch, den sogar Laien - ohne zu Kosten - deutlich wahrnehmen können. Wie aus Früchten hervorragende Maischen hergestellt werden können, ist in unserem Buch ja sehr ausführlich beschrieben. Wird nun eine qualitativ einwandfreie Maische mit einer Potstill gebrannt und einige wenige Grundregeln dabei beachtet, auch die Nachbehandlung des Destillates nicht zu vergessen, ergibt sich daraus auch ein qualitativ hochwertiges Produkt.

Dass dies nicht nur bei Früchten, sondern auch bei Gerste der Fall ist, zeigt sich in Schottland, dort werden auch "nur" Kupferkessel ohne Kolonnen mit Füllkörpern, Rückflusseinstellung usw. zum Destillieren verwendet. Die Qualität der meisten Single Malts ist ja nicht von der Hand zu weisen. Ja, ja, ich weiß, angeblich kann man das in Japan jetzt besser, aber trotzdem ist ein schottischer Single Malt nach wie vor ein gutes Tröpfchen. Warum sollten also traditionelle schottische Distilleries jetzt plötzlich auf Edelstahlkessel mit ausgereiztem Reflux-Verfahren umsteigen?

Das Beispiel mit dem Reisbrand aus Laos, unter primitivsten Bedingungen entstanden, ist im Buch ja ausführlcih beschrieben, dem ist nichts hinzuzufügen.

Ich "durfte" in der Vergangenheit schon einige nicht ganz so tolle Destillate verkosten die gemäß Reflux (angeblich) nach allen Regeln der Kunst hergestellt wurden. Nun, in einem Fall wurde die hier schon oft beschriebene Sorte einer Turbohefe verwendet die diesen Muff-Geruch erzeugt. Der Brenner war ganz stolz auf sein selbst gebasteltes Kolonnenungetüm und hat mir erklärt, dass er es durch richtige Einstellungen schafft, diesen Muff-Geruch quasi zu isolieren und rauszuschneiden sowie nur noch die reinen Fruchtaromen heraus zu bekommen. So weit stimme ich als Chemiker diesem Gedanken theoretisch ja zu. Aber leider zeigten sich zwei Dinge: einerseits stimmte die Theorie mit der Praxis überhaupt nicht überein (wie oft auch in komplett anderen Bereichen) - die Brände aus mehreren unterschiedlichen hochgradigen Fruchtmaischen hatten einen deutlichen Muff-Geruch - und andererseits die Betriebsblindheit des Brenners. Er hat den Geruch einfach nicht mehr wahrgenommen, war voller Überzeugung, dass er es jetzt endlich geschafft hat.

In einem anderen Fall hat jemand versucht tatsächlich komplett (also echt vollkommen!) geruchs- und geschmacksneutralen Alkohol aus Zuckerwasser zu erzeugen. Trotz viel Arbeit, Gebastel an der Rektifikations-Anlage und zahllosen Versuchen ist es ihm seiner Meinung nach leider nicht gelungen, er hat dann aufgegeben. Ich muss dazu sagen, er hat mir immer wieder Proben geschickt, ich konnte überhaupt keinen Fremdgeschmack oder -geruch mehr erkennen, für mich war's nur geschmacksneutraler Alkohol. Da gings also nur noch um kaum wahrnehmbare Unterschiede.

Im Rahmen der Recherchen für unsere englische Buchauflage in den USA habe ich in die dortigen Brenngewohnheiten und typischen Brenntechniken ein wenig hinein geschnuppert. Im Endeffekt gibt's zwei Strömungen: die einen brennen egal was, egal wie, egal mit welcher Anlagenkonstruktion irgendwas Schauderhaftes, nach dem Motto "Hauptsache es brennt und ist scharf". Die anderen versuchen im Gegensatz dazu mit allen möglichen technischen Innovationen mehr oder weniger das Bukett einer Maische bzw. eines Weines quasi zu filetieren und nicht Erwünschtes herauszuschneiden. Ein Extremfall ist hier die Spinning Cone Column und die sogenannten Designer-Weine. Natürlich ist es beim herkömmlichen Reflux Distilling für Brandies nicht so extrem, aber viele Entwicklungen gehen oft auch schon in diese Richtung. Aber auch in den Forschungslabors für Designer-Weine ist bekannt: eine Aufsplittung in Aromafraktionen ist so nicht möglich. Wenn der Wein schlecht ist, kann das Ergebnis ebenfalls nicht gut sein. Noch ein Unterschied zu Mitteleuropa dürfte bei uns allgemein bekannt sein: in den USA werden hauptsächlich alle möglichen Stärke-Produkte gebrannt, daher sind diese ganzen Reflux-Stills an und für sich auch für solche Maischen entwickelt worden. Wie in Mitteleuropa Fruchtmaischen zu destillieren ist zwar ein immer stärker werdender Trend, aber zur Zeit sind es trotzdem noch vergleichweise wenige Craft Distilleries die auch die "europäischen" Fruchtmaischen brennen. Und bei uns hier in "good old Europe" sind die amerikanischen Reflux immer mehr im kommen. Das nennt man Globalisierung...

Fazit von meinem nächtlichen Geschreibsel: ist die Maische hervorragend, wird es bei richtiger Brenntechnik auch der Brand sein, egal ob Potstill oder Reflux. Natürlich hat jede Methode ihre gewissen Vor- und Nachteile, jedoch ist eines unbestritten: richtig und korrekt durchgeführt ist Reflux alles andere als einfach, sowohl anlagenbautechnisch als auch brenntechnisch. Daher stellt sich für mich die Frage: warum einfach wenn's kompliziert auch geht (oder war's umgekehrt?)

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen weiterhin Gutes Gelingen und viel Spaß mit diesem spannenden und immer wieder interessanten Hobby!

Schmickl
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